Erntedank 2018: Smartphone und Polizeimütze
Es ist Erntedankfest. Ich bin viel zu früh zum Gottesdienst gekommen. Statt draußen zu warten probiere ich, ob die Kirche schon geöffnet hat – Glück gehabt! Ich gehe durch den Mittelgang nach vorne. Das ist eine gute Gelegenheit, sich die Erntedankgaben in Ruhe anzusehen. Aber was ich dort aufgebaut finde, wundert mich doch sehr. Ich sehe weder Mais, leuchtende Kürbisse, Körbe mit Kartoffeln, Zucchini, Sellerie, Äpfel. Stattdessen sind ein Haufen sonderbarer Dinge aufgebaut. Links steht eine Art Gartenhaus, in der Mitte finde ich ein schickes Hemd, einen Reisepass, ein Smartphone und einen Glaskrug voll Wasser. Ein Kissen und eine Gitarre entdecke ich, einen Roman von Noah Gordon, einige Mullbinden, Jura-Bücher, schließlich eine Polizeimütze. Und was bitte haben eine Autobatterie und ein Kinderdrachen hier in der Kirche zu suchen? Ganz hinten steht noch eine große, leere Schale. Wenigstens in dem eisernen Einkaufswagen ganz rechts finde ich schließlich einen Laib Brot, eine Packung Käse und eine Tafel Schokolade. Außerdem eine Packung WC-Papier- ? Ich bin ziemlich verwirrt wegen all dieser ungewöhnlichen Dinge hier in der Kirche.
Es gibt für Menschen nichts Besseres als essen und trinken und genießen, was er sich erarbeitet hat. Doch dieses Glück hängt nicht von ihm selbst ab: Es ist ein Geschenk Gottes. (Prediger 1,24)
An dieser Stelle kann ich es ja auflösen. So einen Erntedankschmuck habe ich tatsächlich nirgends gesehen. Meine Phantasie ist mit mir durchgegangen. Wer mich kennt, hat es schon daran gemerkt, dass ich nie viel zu früh irgendwo bin, schon gar nicht morgens. Aber vielleicht ist jetzt im Oktober für uns einmal eine Gelegenheit, auch für all das zu danken, das wir sonst so selbstverständlich hinnehmen. Wir leben in einem reichen Land mit hoher Rechtssicherheit seit vielen Jahrzehnten in Frieden und Sicherheit. Missernten wie in diesem trockenen Sommer gefährden nicht in unsere Existenz. Wir leben in einer relativ sauberen Umwelt, können im Supermarkt einkaufen und haben viele tolle Möglichkeiten, unser Leben zu gestalten. Wir haben Menschen um uns, die es gut mit uns meinen und können ihnen auch Gutes tun. Wir dürfen uns freuen, über das was wir geschafft und uns erarbeitet haben. Wir dürfen verreisen und unser Leben genießen.
Dass wir aber so gute Bedingungen vorfinden, haben wir auch aber nicht allein unserer Schaffenskraft zu verdanken! Wir haben das Glück, dass wir in einem reichen Land leben. Wir sollten deshalb Gott nicht nur für die Früchte des Feldes dankbar sein, sondern auch für Früchte unserer Gesellschaft: medizinische Versorgung, Hygiene, Sicherheit – und für Ruhe! Dabei schadet es uns nicht, wenn wir von unseren Gaben etwas abgeben an die Menschen, die nicht so viel Glück hatten.
Für diese großen Geschenke dürfen wir Gott danken und helfen diese Welt ein wenig gerechter zu machen.
Einen schönen Oktober wünscht euch
~Detlev Dormeyer, Diakon in Hemmoor, Osten, Hechthausen