Alle in einem Boot
Bevor ich nach Hemmoor zog, habe ich einige Jahre in Jerusalem gewohnt. Dort gibt es sehr viele imposante Dinge zu sehen. Eines der eindruckvollsten für mich war keine der gewaltigen Kirchen, Tempel oder Moscheen, sondern ein kleines „Graffiti“. Es zeigt ein Boot und ist eines der ältesten christlichen Zeugnisse im Heiligen Land. Zu dieser Zeit gab es keine einzige Kirche im ganzen Land! Der römische Kaiser Hadrian war ein Christenhasser, hatte alle Kirchen abreißen lassen und an der Stelle der Auferstehung Jesu einen Aphrodite-Tempel errichten lassen. In dessen Fundament, das heute noch das Fundament der Grabeskirche bildet, ist dieses Graffiti eingeritzt.
Warum mich dieses kleine Ritzbild so angerührt hat? Weil ich mir die Menschen, die dies Bild hergestellt haben, gut vorstellen kann. Das Schiff drückt alle Sehnsucht, Mühen und Gefahren aus, die Christen vor langer Zeit auf sich genommen haben, um Jesus nahe zu kommen. Viele Monate - vielleicht Jahre - war die Pilgergruppe im Boot auf dem Mittelmeer unterwegs, um zu dieser Stelle zu gelangen. Sie haben Unterbrechungen hinnehmen müssen sowie Stürme und Entbehrungen überstanden. „DOMINE IVIMUS“ – „Herr, wir sind zu dir gekommen“ haben sie erleichtert und freudig in Lateinisch unter das Bild geritzt.
Schiffe und Boote sind bei uns Christen nicht nur Transportmittel, sondern auch ein beliebtes Bild für den Glauben. Ein Gefühl der absoluten Sicherheit gibt es in unserem Leben nicht. Man hat nie wirklich festen Boden unter den Füßen. Das Leben ist geprägt vom Auf und Ab, von Schwankungen. Und mancher Sturm treibt das Lebensschiff in ungewollte Richtungen - wir haben Angst, Schiffbruch zu erleiden. Es gibt auch ruhige Zeiten, in denen das Lebensschiff sicher dahin gleitet. In alledem dürfen wir uns von Gott getragen fühlen. Für das Vorankommen in die Richtung, die wir wollen, müssen wir allerdings selbst sorgen.
Diesen Monat geht es wieder auf Tour: Mit Booten werden Jugendliche aus Bülkau, Cuxhaven, Hemmoor, Otterndorf und anderswo in den Herbstferien die Schönheiten holländischer Landschaften und Städte entdecken. Wir werden viele Unsicherheiten aushalten müssen und einige Konflikte austragen. Aber wir werden gemeinsam unterwegs sein und
versuchen auf den Schiffen in guter Gemeinschaft zu leben. Alle die mitfahren freuen sich schon riesig auf die Tour! Wir werden erleben was es heißt auf einem Boot unterwegs zu sein. Und sicher wieder ankommen – so Gott will.
von Diakon Detlev Dormeyer
Veröffentlicht am 30.09.2015